Durchblick in der Krise

„Zeit kann man nirgendwo mieten, kaufen oder anderweitig besorgen. Das Angebot an Zeit ist völlig unelastisch. Einerlei, wie hoch die Nachfrage, das Angebot lässt sich nie vermehren.“
(Peter Drucker)

Was für eine Zeit! Man könnte meinen, dass im Eiltempo alles auf den Kopf gestellt wird, was einmal galt, was sich richtig anfühlt, was wir schätzen gelernt haben.

 

Wie soll man, bitteschön, den Durchblick behalten?

Meine ganz persönliche Krise kam mit der Krabbe, und damit diese sich nicht so alleine fühlt, könnte man meinen, kamen nach und nach, Krise für Krise noch weitere Schaufeln obendrauf. Schaufeln, die zu Schaufelbaggern wurden, veränderte sich doch im Schweinsgalopp mal eben alles, was bisher für uns alle Bestand hatte. Die Pandemie, Hitzewellen, sintflutartige Überschwemmungen, also das Klima und die damit einhergehende Katastrophe, und nun auch noch kriegerische Auseinandersetzungen. In Europa. Da ging sie hin, die so lang ersehnte „Normalität“.

Gute Gedanken in der Natur

Manchmal setze ich mich während eines Spaziergangs mit den Hunden an einen meiner Lieblingsorte. Das mache ich gerne, um einfach in Gedanken versunken die Natur zu beobachten. Schlechte Gedanken gehen, gute Gedanken kommen, manchmal sogar Lösungen für Knoten im Kopf, auch neue Ideen fürs Schreiben. Wenn ich mich beim Schreiben „verfahren“ habe oder ein Konzept erarbeiten muss, hilft Bewegung in der Natur sehr. Das Gehirn scheint sich mit jedem Schritt zu sortieren und erledigt Aufräumarbeiten quasi wie von selbst. Das ist praktisch. Ich möchte dazu später noch etwas schreiben in einem eigenen Beitrag, da ich grundsätzlich finde, dass wir zu wenig zur Ruhe kommen, sodass Gedanken sich einfach zu wenig sortieren können. Die Natur erdet uns. Sie hält keine Ablenkung bereit, außer vielleicht durch eine kleine Möwe, die still über uns schwebt und wiederum gute Gedanken anregt. Was sie wohl sieht aus ihrer Vogelperspektive?

Sinn finden

Überhaupt ist vieles eine Frage der Perspektive. Nur ist es in Krisen, zumal in anhaltenden Krisen, die mehr als den Beigeschmack der Katastrophe haben, halt nicht damit getan, sich umzudrehen in der stillen Hoffnung, das Problem möge stillschweigend an uns vorbeiziehen. Unsere Welt ist transparenter denn je. Jede kleinste Meldung zur Lage der Dinge wird medial ausgeschlachtet, oft bewusst Sorgen oder Ängste schürend. „Bad news are good news“ ist mediale Realität . Sensationsnachrichten sind nach wie vor der Garant für viele Klicks auf den Nachrichtenseiten. Auf der einen Seite haben wir uns gewöhnt an Breaking News in Dauerschleife, auf der anderen Seite versetzen sie uns in dieser Frequenz gekonnt in Dauersorge. In abendfüllenden Talkshows auf allen Kanälen wird das ganze Drama der Tagesnachrichten zusätzlich nachbearbeitet. Wir hinterfragen nicht mehr, wir nehmen nur noch auf, zunehmend ungefiltert aufgrund der Informationsdichte- und menge. Alles traurig, aber wahr, denn so wird noch schlimmer, was eh schon schlimm genug ist. Wie sollen wir da Ruhe bewahren? Oder besser noch, weiter glücklich sein? Be happy! Du kannst es eh nicht ändern. Schwierig, oder? Bei all dem Leid, all den Bedrohungen. Nein, es geht nicht darum, alles auszublenden. Es funktioniert sowieso nicht und wäre Selbstbetrug, und der macht wahrlich keinen Sinn. Auch in schlimmen Zeiten gilt es dennoch, den Moment zu schätzen, einfach dafür, dass er da ist. Es gilt, etwas darin zu erkennen, was einen Sinn ergibt für uns. Aus der Erkenntnis folgt, dass wir genau danach sinnvoll handeln. So bleiben wir am Steuer unserer Gedanken und fühlen uns alleine dadurch schon besser. Wir bewegen uns, wir tun etwas und lassen aufkommender hilfloser Starre gar keine Chance. Wir lernen etwas über uns selbst, manchmal wachsen wir in einer herausfordernden Situation sogar über uns hinaus. Wir entwickeln ganz neue Fähigkeiten. So merkwürdig es klingt, genau dies macht uns zufrieden – mitunter glücklich.

Unsere individuelle Normalität

Zurück zur ersehnten „Post-Covid-Normalität“. Wir alle ahnen: die Sorglosigkeit ist auf unbestimmte Zeit vertagt. Wir haben viele Probleme zu lösen, die in kurzer Zeitspanne ineinander übergreifend aufgetaucht sind, und die verschwinden nicht einfach wieder. Denn tief in uns wissen wir, dass wir schon vor der Pandemie vor herausragend großen Aufgaben standen, die in Zeiten der Globalisierung weltweite Dimensionen hatten, nur war vieles eben weit genug weg. Ein Ignorieren all dieser Aufgaben wäre leider der irrige Glaube daran, dass uns die Probleme schon nicht sehen oder betreffen, drängen wir sie nur lange genug heraus aus unseren Gedanken.

Es geht doch vielmehr darum, unsere jeweils individuelle ganz eigene Normalität neu zu definieren, uns schlicht zurechtzufinden in dem, was ist und nicht in Schockstarre auszuharren, bis das Gewitter vorbeigezogen ist. Es wäre schade um die Lebenszeit, die auch in schweren Lagen immer wertvoll ist. Wir können uns selbst eine Meinung zu den Dingen bilden, uns solide informieren, nicht nur durch viele schlimmste Bilder und vorgefertigte Meinung, sondern in ruhiger Recherche, vor allem nicht in Dauerschleife, sondern gezielt. Wir können da helfen, wo Hilfe gefragt ist, und wir können und müssen auch selbst Kraft tanken, denn die brauchen wir besonders in Zeiten der Veränderung. Es ist wichtig, zu erkennen, dass wir fröhlich sein dürfen, Momente genießen, und dass wir mit unseren Lieben, auch mit unseren Hunden, glücklich sein dürfen. Wir bekommen dadurch neue Energie, eine Krise – sei es, dass sie uns persönlich oder die ganze Welt betrifft, besser anzunehmen, neue Bedingungen zu akzeptieren. Auf manches haben wir Einfluss, auf vieles nicht. Es macht keinen Sinn, lange zu hadern mit dem, was wir nicht ändern können. Es macht keinen Sinn, dem vermeintlich krisenfreien Leben nachzutrauern und im illusorischen Wunsch danach auszuharren. Das Wichtigste ist, dass wir das, was ist, annehmen.  Wir dürfen und wir müssen neu denken, neu handeln. Jetzt! Denn Zeit ist nicht verhandelbar. Wie Peter Drucker, der bekannte Managementvordenker (in hohem Alter verstorben 2005) sagte: „Zeit kann man nirgendwo mieten, kaufen oder anderweitig besorgen. Das Angebot an Zeit ist völlig unelastisch. Einerlei, wie hoch die Nachfrage, das Angebot lässt sich nie vermehren.“

Das Wichtigste ist demnach in jeder Krise, sie in Ruhe zu analysieren und den ganz eigenen Weg darin zu finden, nicht dauerhaft die rosarote Brille aufzusetzen à la “wird schon”, aber eben auch nicht die Dauer-Sorgenfalten auf der Stirn zu haben. Vielleicht tauschen wir uns mit anderen aus, holen uns Meinungen, Stimmungen von Menschen, denen wir vertrauen. Und dann sorgen wir dafür, dass wir in Ruhe reflektieren können, vielleicht in der Natur bei einem Spaziergang. Denn es geht letztendlich immer darum, das Neue anzunehmen, ob es in unseren Lebensplan gepasst hat oder nicht. Bestenfalls erkennen wir für uns in so manch unerwarteter Wendung oder auch in einer Krise ganz persönlich neue Wege und neue Möglichkeiten.